13 Kilometer Erdkabelpilot
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08. Februar 2021
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News,
Erdkabel
Bei Wartjenstedt in der Nähe von Salzgitter kreuzt die Höchstspannungsleitung Wahle—Mecklar die Bundesautobahn A39. Und da der Kreuzungspunkt Teil einer der zwei geplanten Erdkabelstrecken der Leitung ist, musste die Autobahn unter Einsatz von moderner Bautechnologie untertunnelt werden.
Pilotprojekt ErdkabelWährend die Verwendung von Erdkabeln bei Gleichstromleitungen längst ausreichend erprobt ist, liegen für ihre Verwendung bei Drehstromleitungen kaum Erfahrungswerte vor. Um dies zu ändern, wurden im Rahmen des Energieleitungsausbaugesetzes (kurz: EnLAG) deutschlandweit neun Pilotprojekte definiert. Die Wahle—Mecklar-Leitung ist eines davon. Zwar wird sie auf ihren rund 230 Kilometern zum Großteil als Freileitung realisiert; in zwei Bauabschnitten kommen jedoch auch Erdkabel zum Einsatz. Zwischen Lesse und Holle im Bauabschnitt A wird mit einer Länge von 13 Kilometern sogar Deutschlands derzeit längste Erdkabelstrecke im 380-kV-Drehstrombereich gebaut!
Foto: Einbau der Leerrohranlage in offener Kabelgrabenbauweise
Für jede Umgebung die passende VerlegeweiseErdkabel werden überwiegend in offener Grabenbauweise verlegt. Dazu werden zunächst zwei Gräben ausgehoben. In diese werden dann Kabelschutzrohre (auch Leerrohre genannt) verlegt. Anschließend werden die Gräben wieder befüllt und die Erdkabel können in die Kabelschutzrohre eingezogen werden. Diese Bauweise hat sich bewährt, kann jedoch nicht immer angewandt werden. Bei der Querung sensibler Ökobereiche oder wichtiger Infrastrukturen muss mit einer geschlossenen Verlegeweise gearbeitet werden. Dazu kommt das sogenannte Horizontalspühlbohrverfahren oder Englisch Horizontal Directional Drilling (HDD) zum Einsatz.
HDD im Detail: Präzisionsbohrung in vier SchrittenDas HDD-System besteht aus einer Horizontalspülbohranlage, einer Bentonitmischanlage und einer Antriebsstation für den Betrieb der Mischanlage. Im ersten Schritt einer HDD-Bohrung wird eine Pilotbohrung durchgeführt. Am Bohrkopf befindet sich ein Sender, der die zentimetergenaue Feststellung der dreidimensionalen Position sowie von Richtung, Neigung und Winkel des Bohrkopfes ermöglicht. Das Signal geht an einen Ortungsingenieur, der den Bohrverlauf überwacht und jederzeit flexibel anpassen kann. Der Bohrkopf wird über ein sogenanntes Horizontalbohrgerät vorangetrieben: am Eintrittspunkt werden so lange Stangen nachgeschoben, bis der unterirdische Kanal die notwendige Länge und damit den Austrittspunkt erreicht. Durch das Gestänge wird eine Bentonit-Bohrspülung zum Bohrkopf gepumpt, wo sie austritt und das sogenannte Bohrklein durch den Ringraum ausspült. Bentonit ist ein natürliches Tonmineralien-Gemisch, das sich durch seine starke Wasseraufnahme- und Quellfähigkeit auszeichnet. Dank dieser Eigenschaften dient die Bentonit-Spülung auch der Stabilisierung des Bohrkanals, zum Kühlen des Bohrkopfes und als Schmiermittel.
Im nächsten Schritt wird dieser Bohrkanal mithilfe eines sogenannten Räumwerkzeugs aufgeweitet, bis er den erforderlichen Durchmesser hat. Danach wird ein Kabelschutzrohr in den Kanal verlegt. Dazu wird es an das Ende des Bohrgestänges geschraubt und rückwärts durch den Kanal eingezogen. Abschließend muss nun noch das eigentliche Erdkabel in das Kabelschutzrohr eingezogen werden. Auf diese Weise können maximal 1.000 Meter lange Kabel verlegt werden. Einerseits, weil beim Kabeleinzug extreme Zugkräfte auf das Kabel wirken, die sich mit jedem zusätzlichen Meter erhöhen würden. Und andererseits, weil 1.000 Meter die Maximallänge ist, in der man Erdkabel am Stück auf Deutschlands Straßen transportieren darf. Denn würden mehr als 1.000 Meter transportiert, wäre das zulässige Maximalgewicht von 50 Tonnen überschritten. Aufgrund der Komplexität und der dadurch entstehenden höheren Kosten wird das HDD-Verfahren nur dort angewandt, wo es auch wirklich notwendig ist.
Acht Bohrungen zwischen Lesse und Holle – geschafft ist die Untertunnelung der A39
So beispielsweise bei der Querung der Bundesautobahn A39 auf der Höhe von Wartjenstedt bei Salzgitter. Im Juli 2020 setzte das Wahle—Mecklar-Projektteam hier eine der ersten HDD-Bohrungen um. Wäre das Kabel an dieser Stelle in offener Grabenbauweise verlegt worden, hätte die Autobahn für einen längeren Zeitraum gesperrt und aufgerissen werden müssen. Durch den Einsatz des HDD-Verfahrens ließ sich jedoch beides vermeiden: die A39 konnte untertunnelt werden, ohne eine Sperrung der Autobahn. Neben der Autobahn wurde im Mai bereits die Asselgrabenniederung unterbohrt.
Foto: Bürgerreferent Andreas Jaeger an der Baustelle
Weiterhin ist die Anwendung geplant für die Querung der Kreisstraße 56, der Landesstraße 474, des Flusses Innerste, einer Bahntrasse sowie einiger Waldflächen und Gräben. Die längste und zugleich tiefste Bohrung wird voraussichtlich noch im Februar beginnen. Hier werden in einem Rutsch die Innerste, eine dahinterliegende Bahntrasse sowie eine Bundesstraße mitsamt Radweg untertunnelt. Diese Bohrung wird eine Gesamtlänge von 750 Metern haben und dabei in rund 15 Metern Tiefe verlaufen.
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