Im Herzen von Hessen und damit auch im Herzen Deutschlands liegt seit knapp 100 Jahren der traditionsreiche Strom-Standort Borken. Über Jahrzehnte hinweg wurde in Borken konventionell Strom erzeugt und u.a. über die zweitälteste deutsche Höchstspannungsleitung in Hessen und über die jeweiligen Landesgrenzen hinaus verteilt.
Seit dem Frühjahr 2018 hat der Bayreuther Übertragungsnetzbetreiber TenneT die Anlage modernisiert und dort die deutschlandweit erste Statcom-Anlage in hybrider Bauweise errichtet. Mit dem Betrieb dieser Anlage nutzt TenneT den historischen Standort nun für eine Aufgabe im Stromnetz, die maßgeblich zum Gelingen der Energiewende beitragen wird: Die Bereitstellung von Blindleistung nach Abschaltung der Kern- und zahlreicher Großkraftwerke. Dies ist eine der wichtigsten Voraussetzung für eine zukunftssichere Stromversorgung aus erneuerbaren Energiequellen.
Insgesamt hat TenneT in der rund zweijährigen Bauphase 30 Millionen Euro in Borken investiert. Da das zusätzlich benötigte Gelände aufgrund der Überschwemmungsflächen nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stand, hatte TenneT sich dazu entschieden, die Statcom-Anlage in hybrider Bauweise zu errichten. Dadurch konnte der zusätzliche Platzbedarf auf weniger als einen Hektar reduziert werden. Für diesen zusätzlichen Flächenbedarf wurden an der Schwalm Ausgleichsmaßnahmen geschaffen. Auf einer Länge von 225 Metern wurde der Gewässerverlauf teilweise neu geschaffen, um die Lebensraumqualität für Tier- und Pflanzenarten zu verbessen und zu fördern. Diese Maßnahme wurde bereits im Frühsommer 2018 abgeschlossen und seitdem von der Tier- und Pflanzenwelt sehr gut angenommen.
Am heutigen Freitag nahm Axel Schomberg, Leiter im TenneT-Netzbetrieb, gemeinsam mit dem Borkener Bürgermeister Marcel Pritsch-Rehm und dem ersten Kreisbeigeordneten des Schwalm-Eder-Kreis, Jürgen Kaufmann die Statcom-Anlage feierlich in Betrieb. Während des Rundgangs bekamen alle Beteiligten einen interessanten Einblick in die Anlage und deren Funktionsweise.
Hintergrund Blindleistung:
TenneT versorgt mit mehr als 23.000 Kilometern Stromleitungen rund 41 Millionen Endverbraucher indirekt mit Strom. Der Großteil des Netzes ist dabei als eng vermaschtes Drehstromnetz aufgebaut. Damit die Stromübertragung im Netz funktioniert, wird Blindleistung für
den Spannungsaufbau benötigt. Zur Wirkleistung, die tatsächlich beim Verbraucher ankommt, sollte die Blindleistung stets im richtigen Verhältnis stehen, damit der Stromtransport
nicht beeinträchtigt wird. Das heißt, ohne Blindleistung ist kein Stromtransport möglich, jedoch reduziert zu viel Blindleistung im Netz die Wirkleistung und kann sich entsprechend negativ auf die Stromübertragung auswirken. Auf das richtige Maß kommt es an.
Vereinfacht dargestellt, ist Blindleistung die Schaumkrone eines Bieres und das Bier selbst die Wirkleistung. Wird ein Bier falsch eingeschenkt, kann sich zu viel Schaum bilden. Steht das Bier zu lange, wird der Schaum instabil, nimmt ab und die Qualität des Bieres leidet. Die Schaumkrone sollte also stets im richtigen Verhältnis zum Bier sein. In der alten Energiewelt waren Kernkraftwerke und andere große Erzeuger, um im Bild zu bleiben, die Brauereien, die dafür sorgten, dass die Schaumkrone, also die Blindleistung, im richtigen Verhältnis zum restlichen Bier, also der Wirkleistung, geliefert wurde. Da alle Kernkraftwerke bis 2022 vom Netz gehen, wird TenneT nun zum Braumeister für Blindleistung, um seinen gesetzlichen Auftrag, rund um die Uhr ein sicheres Netz zu betreiben, auch in Zukunft erfüllen zu können.
Um die Blindleistung regeln zu können und in ausreichendem Maße für das gesamte Netz zur Verfügung zu stellen, hat TenneT bereits in zahlreichen seiner 129 Umspannwerke Kompensationsspulen und MSCDN-Anlagen installiert, die zur statischen Blindleistungsbereitstellung beitragen. Darüber hinaus hat TenneT seit 2015 im Umspannwerk Bergrheinfeld West nahe Schweinfurt den damals ersten rotierenden Phasenschieber im deutschen Stromnetz in Betrieb genommen. Diese Anlage liefert einen Beitrag zur Kurzschlussleistung dieses Netzknotens - eine Aufgabe, die zuvor der Generator des Kernkraftwerkes Grafenrheinfeld erledigte. Neben dem Bau neuer Anlagen, wie in Borken und Bergrheinfeld, unter-sucht TenneT aber auch weitere Möglichkeiten, wie beispielsweise Windkraft- und Photovoltaikanlagen durch die Bereitstellung von Blindleistung zur System- und Versorgungssicherheit beitragen können.
Über TenneT
TenneT ist einer der führenden Übertragungsnetzbetreiber in Europa. Mit rund 23.000 Kilometern Hoch- und Höchstspannungsleitungen in den Niederlanden und Deutschland bieten wir eine zuverlässige und sichere Stromversorgung für 41 Millionen Endverbraucher. Wir beschäftigen über 4.500 Mitarbeiter und sind einer der größten Investoren in die nationalen und internationalen Stromnetze an Land und auf See. Wir konzentrieren uns insbesondere darauf, die Energiewende und die Integration der nordwesteuropäischen Strommärkte zu fördern und umzusetzen.
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