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Ostbayernring Freileitung Umspannwerk

Stromversorgung in der Region: Ein Beispiel aus der Oberpfalz

Die Oberpfalz ist keine Insel: Aufgrund ihrer zentralen Lage hat das Übertragungsnetz hier vielfältige Verbindungspunkte, unter anderem durch die Nähe zum benachbarten Tschechien. Eine große Diversität gibt es auch bei der Stromerzeugung. Der Ausbau von Solar- und Windenergie beeinflusst die Stromflüsse stark. Aufgrund der Vielzahl an Quellen lässt sich nicht immer genau bestimmen, wie Stromerzeugung, Einspeisung und Versorgung in einer Region verlaufen. Doch gibt es Grundlagen, die ein Bild von den Funktionen der Übertragungsnetze ermöglichen und die Zusammensetzung des Netzstroms erklären.

Grundlagen
Strom verhält sich etwa wie Wasser: Er geht den Weg des geringsten Widerstands. Das ist beim Übertragungsnetz nicht anders als beim Hausanschluss. Durch Netzeingriffe können wir dies aber lenken. Anderseits muss im Netz immer auch die Menge an Strom im Netz zur Verfügung stehen, die grade verbraucht wird. Die Produktion folgt dabei der Nachfrage. Für unvorhersehbare Ereignisse müssen Netzbetreiber also eine Reserve haben, bislang in Form von spontan verfügbarem Strom aus Pump-, Gas-, Kohle -oder Atomkraft. Dann gibt es noch eine Raffinesse: Über sehr lange Distanzen geht immer eine geringe Menge Strom im Netz verloren. Diese Differenz muss in der Zielregion wieder zugeführt werden und nennt sich Blindleistung. Dafür sind zum Beispiel Energieträger vor Ort wichtig. Der Verbraucher nutzt aber nur die sogenannte Wirkleistung.

Stromerzeugung
Der Löwenanteil der Stromerzeugung stammt aus Netzeinspeisungen von nationalen Versorgern, also früher von großen Kraftwerke und heute vermehrt Windenergieanlagen. Zudem benötigen wir die Stromerzeugung direkt vor Ort, zum Beispiel in Form von Photovoltaik. Besteht in einer Region ein Überschuss und in einer anderen dagegen hoher Strombedarf, wird elektrische Leistung übertragen. Durch die erneuerbaren Energien kommt es dabei schnell zu unterschiedlichen Flussrichtungen.

Stromflüsse
Für unser Beispiel nehmen wir die die Eckdaten des zentral gelegenen Umspannwerks Etzenricht. Die Herkunft des Stroms lässt sich hier mit Indizien eingrenzen: An windreichen Tagen kommt Windstrom aus den nördlichen Bundesländern oder den Windkraftanlagen im nördlichen Oberfranken. Manchmal kommen Leitungen dabei an Kapazitätsgrenzen – einer der Gründe, warum wir heute schon leistungsfähigere Netze bauen. Bei weniger Wind dagegen herrschen Mischverhältnisse von konventionellen Kraftwerken oder Photovoltaik im Verbundnetz. Die Flussrichtung des Stroms von Nord nach Süd zeigt sich am Beispiel eines windreichen Wintertages am Ostbayernring.

Ostbayernring Wirkungseinfluss 1

Die Minus-Werte in der Grafik bedeuten hier lediglich, dass der Strom in südlicher Richtung fließt – am 15. Januar 2019 zum Beispiel durchgehend. Die Verläufe zwischen den Umspannwerken Redwitz und Mechlenreuth (grün) sowie Mechlenreuth und Etzenricht (rot) sind nahezu gleich. Der sehr kleine Unterschied beschreibt die Menge an Strom, die übers Umspannwerk Mechlenreuth im nördlichen Oberfranken ins Netz von Bayernwerk abgegeben wurde. Diese geringe Menge ist durch die Windkraft im nördlichen Oberfranken zu erklären. Die Abweichungen des Abschnitts zwischen Etzenricht und Schwandorf (blau) erklären sich ebenfalls aus ausgespeisten Strommengen in Etzenricht, jedoch auch aus der hier angebundenen Verbindungen nach Hradec, beziehungsweise Přeštice in Tschechien.

Ein Gegenbeispiel: An windarmen Tagen fällt der Nord-Süd-Fluss bundesweit schwächer aus. Er kann sich – je nach Stromproduktion aus Solaranlagen oder dem Import – auch umkehren. Auch dies zeigen die Flussrichtungen im Ostbayernring. Es kommt beispielsweise Strom aus Tschechien über das Umspannwerk Etzenricht in den Süden (Stromkreis Etzenricht – Schwandorf) sowie gegen Abend über die beiden nördlichen Stromkreise in Richtung Norden:

Ostbayernring Wirkungseinfluss 2

Der Unterschied ist klarer als beim ersten Beispiel. Da es sich um einen windarmen Tag handelt, war die Stromproduktion aus Windkraft im nördlichen Oberfranken niedriger und es wurde mehr Strom aus dem Übertragungsnetz von TenneT entnommen. Zwischen 0 und 4 Uhr sind alle Linien parallel. Der deutliche Anstieg ab 6 Uhr hat mit dem Verbrauch in der Oberpfalz wohl wenig zu tun, sondern eher mit dem Berufsverkehr im Gesamtnetz, Wartungsarbeiten oder damit verbundenen Eingriffen. Die abendliche Abweichung der Linien lässt auf eine Einspeisung aus dem tschechischen Netz übers Umspannwerk Etzenricht schließen.

Die beiden gewählten Tage zeigen einen Nord-Süd-Fluss: am 15.01. durchgehend und am 24.01.2019 bis in den Nachmittag. In dieser Zeit bringt das Übertragungsnetz Windstrom aus dem Norden in die Region und in den süddeutschen Raum. Der Vergleich zeigt, wie durch Ausdifferenzierung und Ausbau erneuerbarer Energien unterschiedliche Lastflüsse innerhalb von Stunden auftreten. Gleichfalls wird hier die grenzüberschreitende Einbindung deutlich. Die Stromversorgung in der nördlichen Oberpfalz ist ein wichtiger Teil des europäischen Verbundnetzes: Die direkte Anbindung von Etzenricht zum Umspannwerk Hradec existiert bereits seit den 1990er Jahren. Das „eine“ deutsche Netz oder das regionale Oberpfälzer Netz gibt es eigentlich gar nicht. Dafür können wir mit unseren Übertragungsnetzen heute Angebot und Nachfrage schnell ausgleichen, Kapazitäten anpassen und es muss insgesamt weniger Reserve vorgehalten werden – so ist unsere Energieversorgung im Vergleich mit einem autarken Inselnetz heute äußerst zuverlässig und belastbar.